Carretera Austral:
Patagoniens Radreise-Mekka

Ich landete in Puerto Montt, von wo aus ich meine Tour entlang der Carretera Austral – auch genannt: Ruta 7 – starten wollte. Ich verbrachte nur einen Tag dort, um eine lokale Simkarte, eine Gaskartusche und Lebensmittel zu besorgen. Außerdem kaufte ich mir spontan eine weitere warme Jacke, was sich schon bald als eine sehr gute Investition herausstellte. Puerto Montt selbst finde ich nicht sehr sehenswert; vielleicht lag das aber auch bloß daran, dass es bei meiner Ankunft kalt und regnerisch war. 

Der erste Tag auf der Carretera Austral war noch nicht besonders aufregend. Die Straße ist zu Beginn noch sehr stark befahren und wird erst später leerer. 

Nach ca. 50 Kilometern muss man ab La Arena eine Fähre nehmen, um die Reise fortzusetzen. Diese Fähre fährt mehrmals täglich, sodass eine Reservierung oder spezielle Planung der Route nicht notwendig ist. 

Bei Kilometer 80 hatte ich eine Privatunterkunft über Warmshowers gefunden. Mein Gastgeber wohnt auf einer kleinen Insel, die ich nur bei Ebbe erreichen konnte. Ich fuhr also ca. 1 km durch den trockenen Streifen des Meeres, bevor die Flut kam und eine Durchquerung unmöglich machte. 

Mein Gastgeber lebt alleine auf der Insel. Neben seinem Haus hat er noch zwei kleine Ferienunterkünfte für Gäste. Eines dieser Häuschen durfte ich beziehen und eine unbeschreiblich tolle Aussicht genießen. 

Mittlerweile war das Wetter besser: Die Sonne war warm und es wehte nur eine leichte Brise. Nachts wurde es jedoch schnell kühl, sodass ich mich über den Ofen in meinem Zimmer freute. 

Am nächsten Tag musste ich bis mittags warten, bis ich bei Ebbe zurück aufs Festland radeln konnte. An diesem Tag fuhr ich nur ca. 20 Kilometer bis in die Stadt Hornopiren. Ab hier muss man eine weitere Fähre nehmen, die jedoch nur zwei Mal täglich fährt. Leider nimmt die 18-Uhr-Fähre keine Radfahrer mit, sodass ich in Hornopiren eine Nacht bleiben musste und erst am nächsten Morgen die Schiffsreise antreten konnte. 

Dass sich meine Weiterfahrt dadurch verzögerte, ärgerte mich zwar, doch mein Zwangsaufenthalt auf dem Campingplatz war nicht allzu tragisch. Direkt am Wasser gelegen und inmitten der Natur fühlte ich mich wohl. 

Nachts spürte ich zum ersten Mal die erbarmungslose Kälte, die bei Dämmerung langsam ins Zelt kriecht und wegen der ich häufig aufwachte. Am nächsten Morgen wurde es im Licht der Sonne jedoch schnell wieder wärmer. 

Um 9 Uhr nahm ich die Fähre Richtung Caleta Gonzalo. Schon zu Beginn hatte man eine tolle Aussicht auf die Umgebung. 

Die Fähre von Hornopiren nach Caleta Gonzalo wird in zwei Fahrten unterteilt. 

Die erste Fahrt dauert ca. 3 Stunden. Danach muss man einen Weg von ca. 10 Kilometern zurücklegen, um ein zweites Mal die Fähre, diesmal für nur eine halbe Stunde, zu nehmen. Das Problem ist, dass die zweite Fähre bereits 30 Minuten nach Ankunft der ersten Fähre aufbricht. Mit dem Fahrrad 10 Km in einer halben Stunde zurückzulegen ist aufgrund der Schotterstraße und den Anstiegen fast nicht zu schaffen. Von anderen Radfahrern erfuhr ich, dass sie die zweite Fähre verpasst hatten und ohne Einkaufsmöglichkeiten dort fest steckten, bis die nächste Fähre kam. Die einfachste Möglichkeit, das Problem zu umgehen, ist eine Mitfahrgelegenheit zu suchen. Ich lud mein Fahrrad in einen Truck und fuhr selbst in einem Bus mit. Auf der nächsten Fähre angekommen lud ich mein Fahrrad wieder ab und führte meine Reise fort.

Bei Ankunft in Caleta Gonzalo war es bereits nach 15 Uhr. Ich bin gerne früh morgens unterwegs, um nachmittags bereits am Zielort zu sein, doch an diesem Nachmittag hatte ich meine Fahrt noch vor mir. Ich wollte die 60 km bis nach Chaiten fahren und musste mich beeilen um am frühen Abend dort zu sein. Mein Zelt war von der Nacht zuvor immer noch nass und ich wollte es aufbauen und trocknen lassen, bevor mich eine weitere nasskalte Nacht erwarten würde. Leider wurde daraus nicht. Die Straße ab der Anlegestelle war geschottert und mit Schlaglöchern übersäht. Herannahende Autos wirbelten Staub auf, der mir die Sicht versperrte. Gelegentlich wurde ich durch Bauarbeiten auf der Straße zum Stehen gebracht. Die Fahrt dauerte deutlich länger als geplant, sodass ich um 18 Uhr gerade einmal die Hälfte der Strecke nach Chaiten zurückgelegt hatte. Am Campingplatz Lago Blanco machte ich daher eine Zwischenübernachtung, die sich jedoch gelohnt hat. Ein Sprung ins glasklare Wasser ließ mich den anstrengenden Tag vergessen. 

Am folgenden Tag ging es über Chaiten nach Puerto Cardenas. (Tipp: Chaiten ist die letzte “größere” Stadt – Einkäufe erledigen oder Geld abheben solltet ihr besser hier). Nach den ersten 20 km hatte ich endlich wieder asphaltierte Straße unter den Rädern und kam gut voran. Auch die darauffolgenden Tage waren zwar anstrengend, doch sehr schön. 

In den Dörfern gibt es zwar Minimarkets, in denen man das Nötigste kaufen kann, doch spezielle Dinge wie Fahrradersatzteile, Gaskartuschen oder Medizin gab es nur in “Städten”. Da die Carretera Austral zumindest in den Sommermonaten zwischen November und April sehr touristisch ist, findet man häufig Cafés oder Unterkünfte, auch dort wo man sie am Wenigsten erwartet – wie zum Beispiel dieses kleine Café in der Nähe von Santa Lucia. 

Nach Santa Lucia wurde der Verkehr auf der Straße deutlich weniger und die Landschaft wurde immer wilder (und schöner). Die Straße ist in makellosem Zustand, doch zu diesem Zeitpunkt wusste ich das noch nicht zu schätzen 😀

Über Junta ging es nach Puyuhuapi in den Queulat National Park. Den berühmten Hanging Glacier habe ich aufgrund schlechtem Wetter leider nicht sehen können. Zum Glück hatte ich einen Campingplatz mit Überdachung, sodass mein Zelt geschützt im Trockenen stand.

Weiter ging es Richtung Queulat Pass – ein Abschnitt auf der Carretera Austral, der bei Radfahrern eher unbeliebt ist. Der Abschnitt ist noch nicht asphaltiert und an manchen Stellen so steil, dass man das Fahrrad schieben muss. Oben angekommen beginnt die Talfahrt jedoch auf frisch asphaltiertem Untergrund, mit spektakulärer Landschaft!

Leider habe ich eine Erkältung nicht frühzeitig auskuriert und fühlte mich bereits seit Tagen ziemlich schwach. Bis nach Coyhaique – der nächsten und größten Stadt auf der gesamten Carretera Austral – waren es noch knapp 200 km, die ich mit Fieber und Husten unmöglich hätte radeln können. Ich ließ mich daher von einem Auto mitnehmen und ruhte mich in Coyhaique mehrere Tage aus. 

In Patagonien hat fast jeder Einheimische einen Pick-Up-Truck mit riesiger Ladefläche. Im Notfall findet man i. d. R. schnell jemanden, der einem helfen kann. Trampen ist hier ohnehin gängig; man sieht häufig sowohl Einheimische als auch Touristen mit ausgestrecktem Daumen am Straßenrand stehen. 

Der schönste Abschnitt begann hinter Coyhaique. Bis ins nächste Dorf (Cerro Castillo) waren es knapp 100 km mit 1600 Höhenmetern. Da das Wetter trotz schlechter Wettervorhersage gut war, wollte ich die Strecke an einem Tag schaffen. 

Der höchste Punkt der Carretera Austral liegt ein paar Kilometer vor Cerro Castillo. Wirklich “hoch” liegt der Punkt nicht, doch da es stetig rauf und runter geht, kommen jeden Tag doch einige Anstiege zusammen. 

Der Aussichtspunkt kurz vor den Abwärts-Serpentinen ist eine Pause wert. Ich habe hier meine Drohe ausgepackt, doch auch ohne Luftaufnahme hat man eine super Aussicht. Hier wird einem erst so richtig bewusst, was man auf dieser Strecke körperlich geleistet hat! Ein bisschen stolz darf man schon sein 😊 Und die 14 km Talfahrt bis nach Cerro Castillo machen wirklich Spaß!

Nach Cerro Castillo ging es weiter Richtung Rio Tranquilo. Dieser Tag war mit Abstand der Schlimmste. Heftiger Gegenwind machte das Fahren fast unmöglich, und zudem sehr gefährlich. Um 14 Uhr hatte ich erst 35 km hinter mich gebracht. Weitere 45 km bis zum Campingplatz Dona Dora hatte ich noch vor mir. Gott sei Dank traf ich zwei andere Radfahrer, die mein Leid teilten, sodass wir uns gegenseitig motivieren konnten. Wir waren alle fix und fertig, als wir gegen 19 Uhr auf dem Campingplatz eintrafen. 

Ca. 20 Kilometer nach Cerro Castillo endet die asphaltierte Strecke, wie einem das Schild “Fin Pavimento” mitteilt. Die nächsten Tage würden holprig werden. 

Am nächsten Tag erreichte ich Rio Tranquilo, von wo aus Kanu- und Bootstouren zu den Marmorhöhlen angeboten werden. Dies war zwar ein geplantes Highlight auf meiner Tour, doch leider wurden die Bootstouren aufgrund des starken Windes eingestellt. Ich entschied mich, nicht in Rio Tranquilo zu übernachten, sondern die Zeit zum Weiterfahren zu nutzen. 

Dieser Abschnitt war einer der schönsten auf der Tour. Das Wasser ist türkisblau, wie auf den Bildern unten! Bei gutem Wetter ist die Fahrt richtig toll. Ich hatte Glück, da auch an diesem Tag der angekündigte Regen auf sich warten ließ. 

Hinter Puerto Bertrand wurde das Landschaftsbild wilder. Die Schotterstraße war hier in sehr schlechtem Zustand – viele Schlaglöcher, Wellen im Boden und lose Steine bremsten mich aus. Außerdem hatte ich beim Bergabfahren einen kleinen Unfall. Obwohl ich sehr vorsichtig war und langsam fuhr, rutschten meine Räder zur Seite und ich fiel auf die Straße. Bis auf ein paar blaue Flecke blieb ich jedoch unversehrt. 

Abends traf ich in Cochrane ein, wo ich mir ein günstiges Hotel buchte. Bis nach Villa O’Higgins, dem Ende der Carretera Austral, waren es noch gute 200 km, d.h. 3 Tage auf dem Rad. Ab hier wollte ich eine Fähre nach Argentinien nehmen (die einzige Möglichkeit, um von dort weiter zu kommen). Von anderen Radfahrern hörte ich, dass diese Fähre außer Betrieb genommen wurde und ein Weiterkommen nicht möglich war. Die andere Option war, den Bus zu nehmen und 600 km an zwei Tagen nach Coyhaique zurück zu fahren, um von dort aus den Flieger zu nehmen. 

Da das Wetter nun langsam ziemlich schlecht wurde und es durchgehend regnete, entschied ich mich, nicht weiterzufahren, sondern ab Cochrane den Bus nach Coyhaique zu nehmen. Einerseits hätte ich gerne die letzten 200 km geschafft und das Ende der Carretera Austral gesehen; andererseits war dies eine Sackgasse, die mit hohem organisatorischem Aufwand verbunden war. Der Bus nach Coyhaique fährt beispielsweise nur zweimal die Woche; Online-Ticketbuchungen sind nicht möglich, und Fahrräder werden nur in manchen Bussen mitgenommen. Das Risiko, zu viel Zeit in Villa O’Higgins zu verbringen, war mir zu hoch. 

Von Coyhaique aus kann man vom Flughafen Balmaceda nach Santiago fliegen und von dort aus weiter. Im Nachhinein war diese Option die Richtige. 

Patagonien hat mir unglaublich gut gefallen. Wenn das Wetter gut ist und die Temperaturen morgens steigen, ist die Landschaft wie im Film! Jedoch musste ich mein Fahrverhalten anpassen. Jeden Tag 80-100 km zu fahren (wie ich es sonst tue) ist hier nicht immer möglich, da die Fahrten mit den Fähren, das wechselhafte Wetter und organisatorische Schwierigkeiten ein paar zusätzliche Tage erfordern. Für die gesamte Carretera Austral empfehle ich daher MINIMUM 3 Wochen (besser länger). Zeit verschwenden tut ihr in Patagonien definitiv nicht 😉

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