Georgien: Ein Juwel im Kaukasus
Ich begann meine Reise in Tiflis, wo ich gegen 4 Uhr morgens landete 🥱 Ich checkte in einem Hostel ein, wo ich freundlicherweise früh einchecken und mich nach dem Nachtflug ausschlafen konnte. Nachmittags organisierte ich mir eine SIM-Karte und Lebensmittel, und schlenderte durch die belebten Straßen der Innenstadt.
Am nächsten Morgen nahm ich den Zug Richtung Sugdidi. Das Ticket hatte ich bereits im Vorfeld online auf der Seite des georgischen Zugbetreibers gekauft. Das ging einwandfrei, auch wenn ich dort keine Fahrradkarte kaufen konnte. Vor Ort habe ich umgerechnet ein paar Euro gezahlt und konnte mein Fahrrad dann im Durchgang zwischen zwei Abteilen abstellen.
Tipp: Ihr solltet rechtzeitig das Zugticket buchen; bei meiner zweiten Fahrt habe ich mein Ticket nur wenige Tage vor Abfahrt gebucht und habe den letzten Platz bekommen!
Wir kamen nach ca. 7 Stunden am Nachmittag in Sugdidi an. Ich radelte ca. 40 km zum Cafe Karda, wo ich für ca. 5€ mein Zelt aufschlagen konnte. Obwohl die Strecke nur kurz war, ging es ein ganzes Stück bergauf, sodass ich froh war, am frühen Abend noch ein paar Minuten mit Blick auf den Stausee entspannen zu können, bevor die Sonne hinter den Hügeln verschwand.
Am nächsten Tag fuhr ich nach Mestia – ca. 100 km mit 2000 Hm. Die Straße ist einwandfrei asphaltiert und obwohl es fast nur bergauf geht, ist die Steigung moderat. Die Aussicht wurde mit jeder Stunde schöner und ich genoss die Tour 😍 Leider war es an dem Tag ziemlich heiß und die letzten 40 km bis Mestia waren sehr anstrengend. So wie die Sonne stand, gab es kaum Schatten. Zwischendurch gab es Dörfer, in denen man die Möglichkeit hatte, Wasser aufzufüllen und Pause zu machen, doch umso weiter man Richtung Mestia fuhr, desto weniger Infrastruktur gab es.
Mestia selbst ist meiner Meinung nach nicht besonders sehenswert, aber ein Knotenpunkt für alles, was danach kommt. Touristen aus Allerwelt verbrachten ihre Zeit in Mestia, um von dort aus Tagesausflüge zu machen. Hier gab es entsprechend viele Unterkünfte, Restaurants, Supermärkte, kleine Geschäfte und Geldautomaten. Für meine Weiterfahrt kaufte ich hier nochmal groß ein und hob Geld ab, denn in den darauffolgenden Tagen hatte ich keine Gelegenheit mehr dazu.
Ich hatte eine unruhige Nacht, denn es tobte ein heftiges Unwetter über Mestia ⛈️Blitze und Donner rissen mich immer wieder aus dem Schlaf und ich hatte ein mulmiges Gefühl im Magen, als ich mich noch vor Sonnenaufgang auf den Sattel schwang. Nach Ushguli war es nicht weit – nur 47 km, aber mit 1800 Hm kein Zuckerschlecken 😖 Zuerst ging es ein ganzes Stück lang einen Pass hoch und auf der anderen Seite wieder runter ins Dorf Bogreshi (Foto unten), und dann mit leichter aber konstanter Steigung bis nach Ushguli. Zu meiner großen Erleichterung regnete es nur leicht zu Beginn, doch noch bevor ich den Pass erreichte, konnte ich meine Regenjacke ausziehen.
Ich hatte Horror-Geschichten von der Fahrt nach Ushguli gelesen, von Schotterstraßen mit wahnsinniger Steigung, die jedem Radfahrer die Lust an der Reise nehmen. In den letzten Jahren wurde viel gebaut, sowohl in den Dörfern selbst als auch auf der Straße. Die Strecke war zu über 90% gut ausgebaut und gepflegt. Lediglich an einigen wenigen Stellen musste ich mich durch den Matsch kämpfen, doch ich hatte es mir viel schlimmer vorgestellt.
Als ich Ushguli erreichte, war ich erleichtert. Ich war gut vorangekommen und hatte umsonst Angst vor einem möglichen Unwetter und Sorge um die Schwierigkeit der Strecke.
Als ich in meiner Unterkunft ankam, bat ich sofort, meinen Aufenthalt um eine weitere Nacht verlängern zu dürfen. Schon als ich Ushguli aus der Entfernung sah, wusste ich, dass ich hier einen Tag Pause einlegen wollte. Ushguli ist genau genommen nicht nur ein Dorf, sondern ein Grüppchen mehrerer kleiner Siedlungen, die zusammengefasst Ushguli ergeben.
In Ushguli hat man das Gefühl, dass die Zeit stehen geblieben ist. Die Häuser sind aus Stein und die kleinen Gassen nicht gepflastert. Die Ursprünglichkeit verleiht diesem Ort seinen ganz besonderen Charme.
An meinem freien Tag verbrachte ich die meiste Zeit mit ausgedehnten Spaziergängen zur kleinen Kirche, von der aus man einen tollen Blick auf die schneebedeckten Berge hatte, oder zwischen den kleinen Häusern hindurch. Supermärkte gibt es keine, jedoch ein paar Restaurants oder Bars, in der man Kuchen oder traditionelles georgisches Essen bekommt.
Es gibt auch ein kleines Museum, das das Leben der Menschen früher darstellt.
Ushguli liegt auf etwa 2.200 m Höhe und ist damit das höchstgelegenste Dorf des Kaukasus, wenn nicht sogar Europas. Dies war jedoch noch nicht der Start meiner Talfahrt…. Vorher hatte ich noch den Zagari Pass (2621 m) vor mir. Von Ushguli aus ging es über 8km bis auf den höchsten Punkt des Passes.
Es folgte eine seeeeehr lange Fahrt bergab! 😍 Auch hier war die Straße sehr gut, sodass ich kaum treten musste sondern mich einfach nur den Berg runter rollen lassen konnte. Ca. 30km hinter dem Dorf Lentechi fand ich den familiengeführten Campingplatz Aghvi Camping. Auf dieser Strecke gibt es sonst keine Unterkünfte und dennoch ist das Preis-Leistungs-Verhältnis wirklich gut gewesen. Direkt am Fluss gelegen, mit Hängematten und modernen Sanitäranlagen hätte ich dort auch noch eine Nacht länger bleiben können.
Mein nächstes Ziel war Kutaissi, die zweitgrößte Stadt Georgiens und für mich ein logistisches Highlight. Hier konnte ich wieder richtig einkaufen gehen und Lebensmittel für die nächsten Tage besorgen. Außer ein paar hübsch anzusehenden Häusern und einer Kathedrale mit Aussicht auf die Stadt hatte Kutaissi aber nicht allzu viel zu bieten.
Weiter ging es in Richtung Zekari Pass, via Sairme. Sairme ist das letzte Dorf vor dem langen Anstieg auf den Pass. Durch die dortigen Mineralquellen ist Sairme ein beliebtes Ausflugsziel, wobei sich die Anzahl der Hotels, Restaurants und Supermärkte auf ein notwendiges Minimum beschränkt. Anscheinend kommen die meisten Besucher nur für einen Tag her, denn von Kutaissi aus ist Sairme mit den Auto recht gut erreichbar. Ich fand ein kleines Hotel mit Restaurant, in dem ich mir ein Glas Wein gönnte – wie in Georgien üblich bekam ich einen 0,5-Liter-Humpen für 2€ serviert 😀
In diesem Zuge möchte ich ein paar Takte zur georgischen Küche verlieren. Das Essen ist (besonders in den weniger touristischen Gegenden) ziemlich günstig und macht auf jeden Fall satt.
Salat gibt es eher selten, und wenn, dann besteht dieser meist aus Tomaten und Gurken, wie im Bild unten. Im Tontopf daneben sind überbackene Pilze, was man nicht immer, aber gelegentlich auf der Speisekarte unter Vorspeisen findet.
Ein sehr beliebtes und praktisch überall erhältliches Gericht ist Kubdari, ein mit Fleisch und Gewürzen gefülltes Fladenbrot. Oft ist nicht nur das Fleisch sehr fettig, sondern auch das Brot selbst. Während der Fahrradtour hat mir Kubdari immer viel Energie gegeben, doch wenn man die Unmengen an Fett nicht gewöhnt ist, reicht in der Regel schon die Hälfte davon 😂
Ebenfalls sehr beliebt (sowohl zum Frühstück als auch als normales Gericht) ist Kachapuri, ein Teigschiffchen, das üblicherweise mit Käse und manchmal auch mit Ei gefüllt ist. Normalerweise bekommt man noch ein Stück Butter serviert, das mir anhand der riesen Portion Käse ziemlich unnötig erschien 😀 Kachapuri habe ich nur zwei Mal gegessen. Es ist zwar sehr sättigend, aber liegt auch wahnsinnig schwer im Magen.
Generell ist das georgische Essen sehr Fleisch- und Käse-lastig, häufig fettig und mit viel Brot als Beilage. In Ushguli hatte ich in meiner Unterkunft Halbpension und habe untenstehende Portionen als Abendessen bekommen. Geschmacklich gut und super für lange Radreisen, aber auf Dauer wirklich etwas zu viel.
Genug übers Essen gesprochen, zurück zur Tour.
Ich verließ Sairme sehr früh morgens, um mittags auf dem höchstenPunkt des Zekari Passes anzukommen. Kurz hinter Sairme endete die perfekt asphaltierte Straße. Urplötzlich stand ich auf einem geschotterten Waldweg. Bis zum Gipfel waren es “nur” 28 km, allerdings konstant bergauf. Durch die Steigung und die Bodenbeschaffenheit kam ich nur langsam, aber trotzdem besser als gedacht voran. Ich konnte die Strecke fast vollständig fahren und der Weg war selten so schlecht, dass ich absteigen und das Rad schieben musste. Zuerst radelte ich ziemlich lange durch den Wald, bis ich irgendwann oberhalb der Baumgrenze war.
Ich begegnete keiner Menschenseele. Kurz bevor ich oben ankam, fand ich einen überdachten Picknicktisch, wo ich Mittagspause machen konnte.
Eigentlich hätte ich hier oben gerne gezeltet, doch ich hatte vorher schon gelesen, dass es auf dem Pass oft sehr windig ist und das Wetter sich rasch ändern kann.
Während ich zuvor bei vollkommen blauem Himmel und strahlendem Sonnenschein fuhr, zogen sich oben auf der Spitze des Passes die Wolken zusammen. Es regnete nicht und der Wind war nicht allzu stark, doch ich kann mir vorstellen, wie unangenehm ein Unwetter in dieser Höhe sein muss!
Bevor ich endlich bergab fahren konnte, war ich erleichtert und freute mich. Leider war die Fahrt nach unten nicht besser als der Aufstieg – im Gegenteil! Noch immer war die Straße geschottert, diesmal jedoch gröber und oft mit losen, großen Steinen bedeckt. Ich konnte mich nicht einfach “rollen lassen”, sondern hatte ständig die Hand auf der Bremse und bin teilweise mit Schrittgeschwindigkeit gefahren. Für die 30km Talfahrt habe ich mehrere Stunden gebraucht und bin am Ende mit steifen Schultermuskeln und schmerzenden Handgelenken in Akhaltsikhe angekommen, einer Stadt, die für mich eigentlich nur Mittel zum Zweck sein sollte, bevor ich weiter nach Vardzia fuhr.
Wie sich herausstellte, beherbergt Akhaltsikhe die atemberaubende Festung Rabati, die ich am nächsten Tag besuchte.
Die Festung war früher das Stadtzentrum und somit kultureller Mittelpunkt für verschiedene ethnische Gruppen. Im Laufe der Zeit fiel die Festung verschiedenen Heerführern in die Hände, welche ihre Spuren an der fortführenden Errichtung hinterließen. So ist beispielsweise sowohl eine Kirche vorhanden, als auch eine Synagoge und Moschee, nebst den üblichen Einrichtungen wie einer Schatzkammer, einer Kaserne, Bädern, etc. Teile der Anlage reichen bis ins 13. Jahrhundert zurück, andere sind wiederum erst später hinzugekommen. Ungeachtet seiner langen Geschichte ist Rabati in meinen Augen ein wundersamer Ort zum Verweilen. Definitiv ein Highlight meiner Reise!👍
Rabati hat einen frei zugänglichen Bereich, der sehr einladend wirkt (siehe Bilder oben). Für den inneren Bereich muss man ein Ticket kaufen, was jedoch wirklich lohnt. Die gesamte Anlage ist gut erhalten und gepflegt. Überall sind Pflanzen, die einen schönen Kontrast zu den alten Mauern bilden. Mir persönlich gefällt der orientalische Einfluss am besten, den man sonst in Georgien eigentlich nicht vorfindet.
Nachmittags hatte ich nur eine kurze Strecke zu radeln, nämlich bis nach Khertvisi. Das Dorf besteht aus einer kleinen Burg, einem Restaurant und einer kleinen Unterkunft, die ich im Voraus gebucht hatte. Hier legte ich einen Ruhetag ein. Später besuchte ich Vardzia, doch zuerst schlenderte ich zu der Burg, die unmittelbar neben meiner Unterkunft lag.
Ein weiteres Highlight meiner Reise war Vardzia, eine uralte Höhlenstadt im Süden Georgiens, nahe der türkischen Grenze. Von Khertvisi aus gibt es nur eine Straße nach Vardzia. Obwohl es “nur” 15 km sind, ließ ich das Fahrrad in meiner Unterkunft. Heute hatte ich Ruhetag! Einen richtigen Bus gibt es nicht, doch angeblich fahren häufig Touristenbusse durch Khertvisi durch, die mich hätten mitnehmen können. So lange musste ich allerdings nicht warten, da ich sowohl bei der Hin- als auch der Rückfahrt schnell Einheimische fand, die mich bis Vardzia mitnahmen.
Die Höhlenstadt ist sehr interessant. Um vom Parkplatz und Ticketschalter dorthin zu gelangen, muss man erstmal ca. 15 min steil den Berg hochlaufen, bis man die Höhlen erreicht.
Die Höhlen sind oft zugänglich. Teilweise gibt es sogar Tunnel, durch die man gehen kann. Abgesehen davon, dass Vardzia wirklich etwas Außergewöhnliches ist, was man nicht jeden Tag sieht, ist es sehr spannend zu sehen, wie Menschen früher dort gelebt haben und wie sie unter schwierigsten Bedingungen ihr Leben gestalteten.
Mit neuer Kraft startete ich am Folgetag die Weiterfahrt. Vor mir lag der bislang schwierigste Teil, der Tskhratskaro Pass. Das wusste ich zu dem Zeitpunkt allerdings noch nicht 😀 Ich wusste, dass es anstrengend werden würde, dass die Straße geschottert sei und dass es dort keine Einkehrmöglichkeiten geben würde, ja, aber das es SO brutal wird, hätte ich nicht gedacht.
Das Gute vorweg: Die Steigung ist moderat, nie mehr als 10%.
Das Schlechte: Die Straße ist nicht nur geschottert, sondern mit großen, losen Steinen übersät. Das Bild unten kann die wahre Herausforderung nicht richtig darstellen, doch ich kam an manchen Stellen überhaupt nicht vorwärts. Es war brütend heiß und außer einem einzigen Baum (Bild unten) gab es überhaupt keinen Schatten. Meine bisherige Tour in Georgien war zwar auch oft anstrengend, aber immer schön gewesen. Diesmal verspürte ich zum ersten Mal Verzweiflung. Ich kam an mein äußerstes Limit.
Die letzten 3 km waren machbar, es wurde etwas flacher und der Schotter etwas feiner. Ich machte Mittagspause und ließ die Drohne steigen. Endlich find ich an, die Fahrt zu genießen, vor allem weil der Gipfel schon in Sicht war.
Oben auf dem Pass befindet sich eine Polizeistation – mitten im Nirgendwo. Hier musste ich meinen Pass vorzeigen. Irgendwo dort führt eine russische Pipeline entlang, daher wurde jeder, der oben ankam, kontrolliert. Die Behörden waren freundlich, von daher war es kein Problem. Als ich meine Drohne steigen ließ, wurde ich jedoch gebeten, sie wieder einzupacken🤷♀️
Den ganzen Tag über war ich niemandem begegnet, doch hier oben auf dem Gipfel tummelten sich die Besucher. Alle waren den Pass von der anderen Seite aus hochgefahren, wo die Straße besser war, und alle fuhren auch diesen Weg wieder zurück.
Kurz vor Borjomi schlug ich mein Zelt auf, und fuhr am nächsten Tag nach Gori, der Geburtsstadt Stalins.
An sich gibt es dort nicht viel zu sehen, außer das Stalin-Museum und direkt davor Stalins Geburtshaus (Foto unten).
Von Gori aus nahm ich den Zug zurück nach Tiflis, und beendete dort meine knapp 2-wöchige Radreise durch Georgien.
Mein Fazit: Georgien ist ein tolles Land: Vielseitig, landschaftlich atemberaubend, ursprünglich und zivilisiert zugleich. Die Organisation (Kauf der SIM-Karte, Zugticket, etc.) war unkompliziert, die Menschen begegneten mir überall mit größter Herzlichkeit, und das Preis-Leistungs-Verhältnis war selbst in den Touristengebieten gut. Die einzige Herausforderung waren die Höhenmeter! Ich bin nun eine relativ erfahrene Radfahrerin und habe schon einige Pässe hinter mir, aber auch ich bin das ein oder andere Mal an meine körperlichen Grenzen gestoßen. Dabei waren weniger die Höhenmeter das Problem, sondern der Zustand der Straßen. Die meisten Straßen sind in sehr gutem Zustand und Georgien entwickelt sich schnell. Zwei meiner drei Gebirgspässe sind jedoch so abgelegen, dass sich die wenigsten Touristen hierher verirren. Nichtsdestotrotz (oder vielleicht eher: genau deswegen) war die Reise für mich wirklich einzigartig und wunderschön! 10 / 10 ❤️